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Published on 23 February 2020 in Partner meeting

Neufassung der Verbraucherkreditrichtlinie – auch Inkasso ist betroffen

Seit 2008 wird der Kreditmarkt innerhalb der Europäischen Union durch die „Richtlinie 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge “, auch Verbraucherkreditrichtlinie genannt, reglementiert. Zweck dieser Vorschrift ist es, einen einheitlichen EU-Rahmen der Verbraucherpolitik zu konstituieren. Insbesondere unter dem Aspekt, die Verbraucher in einem hohen Maße zu schützen, soll mit dieser Richtlinie die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts für Verbraucherkredite sichergestellt werden. Es wird darauf abgezielt, den Kreditmarkt transparenter zu machen und dem Verbraucher bessere Kreditvergleiche zu ermöglichen.

Novellierungen dieser EU-Vorschrift gab es seither in den Jahren 2011, 2014, 2016 und 2019. Weitere Überarbeitungen der Verbraucherkreditrichtlinie wurden bereits signalisiert. Die EU-Kommission gab am 30.06.2021 entsprechende Reformvorschläge bekannt. Seit Herbst 2021 befasst sich auch der Parlaments-Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz mit dem Vorschlag.

Der Anpassungsbedarf der Richtlinie wird mit den gestiegenen Unsicherheiten durch die COVID-19- Krise und der einhergehenden, rasanten digitalen Transformation begründet.

Der Onlinehandel wächst seit Jahren kontinuierlich. Pandemiebedingt ist der Trend zum Online Shopping aber nochmals deutlich gestiegen, was letztlich durch die Schließungen des Einzelhandels befeuert wurde.

Um die digitalen Anforderungen der Verbraucher:innen erfüllen und mit dem heutigen Innovationstempo Schritt halten zu können, nicht zuletzt auch aus Wettbewerbsgründen, sind Unternehmen bestrebt, neuartige technische Produkte und Finanzierungsformen voranzutreiben.

Hinzu kommt, dass in den Krisenjahren viele Verbraucher in finanzielle Schieflagen geraten sind, auch mit erheblichen Auswirkungen auf den Kreditmarkt.

Verbraucherschützer sehen hier akuten Handlungsbedarf – Verbraucherrechte müssen stärker geschützt werden. Die EU-Kommissionsvizepräsidentin und Kommissarin für Werte und Transparenz, Věra Jourová, erklärte hierzu:

“Die Verbraucherinnen und Verbraucher stehen vor zahlreichen Herausforderungen, insbesondere in der digitalen Welt, die das Einkaufen, die Dienstleistungen oder die Finanzmärkte revolutioniert hat. Deshalb verstärken wir den Verbraucherschutz an 2 Fronten: Wir machen es den Verbraucherinnen und Verbrauchern einfacher, Risiken im Zusammenhang mit einem Kredit zu vermeiden und legen noch strengere Vorschriften für die Produktsicherheit fest. Außerdem werden wir den Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmern mehr Verantwortung übertragen und es für betrügerische Akteure schwieriger machen, sich hinter kompliziertem Rechtsjargon zu verstecken.”

Die Entwurfsinhalte im Überblick

Ausweitung des Anwendungsbereichs

Der Modernisierungsentwurf sieht eine Erweiterung des Anwendungsbereichs vor. Künftig sollen auch folgende Formen der Konsumentenfinanzierung der Richtlinie unterliegen:
Kleinkredite:

  • Darlehen unter 200 Eur zinslose und entgeltfreie Kredite einschließlich der kurzfristigen Finanzierung über Kreditkarten alle Überziehungsmöglichkeiten und Leasingverträge
  • Crowdfunding-Kreditdienstleistungen, die über Plattformen für Peer-to-Peer-Kredite geschlossen werden (werden Kredite dort direkt angeboten, so unterliegen die Betreiber den Pflichten eines Kreditgebers)
  • Kredite, die bisher wegen ihres geringen Betrages, ihrer geringen Kosten oder der kurzen Laufzeit ausgenommen waren, einschließlich der auf Internetplattformen angebotenen
  • Kaufpreisfinanzierungen („Bye Now Pay Later“, Payday Loans) Obergrenze Zinssätze Gemäß Reformvorschlag soll eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten eingeführt werden, Obergrenzen für Zinssätze, den effektiven Jahreszins oder den Gesamtbetrag des Kredits festzulegen.

Vorvertragliche Informationspflichten Kreditgeber

Kreditvermittler und Anbieter von Crowdfunding-Kreditdienstleistungen werden verpflichtet, den Verbrauchern individuell zugeschnittene Informationen auf der Grundlage des Formulars „Europäische Standardinformationen über Verbraucherkredite“ zukommen zu lassen.

Alle wesentlichen Informationen über den Kreditvertrag sind künftig in einem One-Pager zusammenzufassen:

  • Laufzeit des Kreditvertrags oder des Vertrags über die Erbringung von Crowdfunding-
  • Kreditdienstleistungen
  • Sollzinssatz
  • Effektiver Jahreszins und vom Verbraucher zu zahlender Gesamtbetrag
  • Barpreis, bei Krediten in Form von Zahlungsaufschüben für Waren oder Dienstleistungen
  • Kosten bei Zahlungsverzug
  • Gesamtkreditbetrag

Grundsätzlich muss eine eintägige Bedenkzeit zwischen der Information des Verbrauchers und dem Vertragsschluss liegen. Dem Verbraucher sollen so fundierte Kreditentscheidungen und bessere
Konditionsvergleiche ermöglicht werden.

Bewertung der Kreditwürdigkeit

Die Regeln für die Kreditwürdigkeitsprüfung werden modifiziert und verschärft, um das Problem der Überschuldung zu begrenzen. Der Kreditgeber muss, auf Basis erforderlicher und angemessener Informationen über Einnahmen und Ausgaben des Verbrauchers, die Fähigkeit des Verbrauchers zur Rückzahlung des Kredits prüfen. Auch finanzielle und wirtschaftliche Umstände sind zu berücksichtigen.

Es muss positiv festgestellt werden, dass Verbraucher ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können. Dem Verbraucher wird darüber hinaus das Recht zugesprochen, sich die Kreditwürdigkeitsprüfung vom Kreditgeber erläutern zu lassen. Ferner ist der Verbraucher umgehend in Kenntnis zu setzen, wenn die Ablehnung des Kreditantrags auf die Kreditwürdigkeitsprüfung in Form einer automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten zurückzuführen ist. Ausbildungsanforderungen an Kreditgeber und Vermittler Die Entwurfspapiere sehen ein ordnungsgemäßes Zulassungsverfahren für Kreditgeber und Kreditvermittler vor.

Der Personenkreis muss künftig angemessene Fähigkeiten und einschlägiges Fachwissen nachweisen können. Außerdem werden Kreditgebern und -vermittlern Wohlverhaltensregeln und -verpflichtungen auferlegt. Sie müssen ehrlich & transparent, vor allem aber im Interesse der Verbraucher handeln. Um dem Wohlverhalten nicht zu widersprechen, darf die Vergütung der Kreditentscheider nicht in Korrelation zum zugesagten Kreditvolumen stehen.

Schuldnerberatung - Inkasso - Forderungsabtretung

Die Mitgliedstaaten sind angehalten, die Vermittlung von Finanzwissen zu fördern und dafür Sorge zu tragen, dass den Verbrauchern Schuldnerberatungsdienste zur Verfügung gestellt werden.

Das Parlament erweitert die Entwurfspapiere der Kommission in diesem Zusammenhang noch um Notwendigkeiten, die sich auf die Registrierung und Qualitätsprüfung von Schuldnerberatungen beziehen. Das Parlament forciert zudem eine Verpflichtung für Mitgliedstaaten, Inkassounternehmen („debt collectors“) einen Verhaltenskodex aufzuerlegen:

“Article 36a Debt collection
Member States shall adopt a list of actions that debt collectors are prohibited from employing when dealing with consumers in relation to the debt collection process. Those practices shall constitute harassment and shall be associated with dissuasive fines and criminal charges, depending on the practice. That list shall include at least:

(a) misleading the consumer, including through improper legal threats or providing other misleading information;
(b) sending excessive numbers of dunning letters, phone or other reminders; including automatic messages and messages generated by any technology operated without human intervention;
(c) omitting to deduct previous payments from the requested amount;
(d) sending stigmatising or intimidating communications;
(e) contacting persons other than the consumer including the consumers’ relatives, friends, neighbours and colleagues;
(f) contacting consumers at inappropriate times or places, including during working hours and at the workplace;
(g) charging fees and penalties to consumers that exceed the costs directly related to the management of the debt. Telephone calls to the consumer by credit servicers shall be systematically recorded, subject to the consumer’s prior consent.”

Werden Ansprüche des Kreditgebers aus einem Kreditvertrag an einen Dritten abgetreten oder wird der Kreditvertrag selbst an einen Dritten abgetreten, so müssen gewisse Rechte gewahrt bleiben. Als Zessionar sind explizit „Kreditversicherer, ein Inkassobüro, ein Rediskont- oder Securitization- Unternehmen” aufgeführt.

Inkrafttreten der neuen Regeln

Wann und in welcher Form die angepasste Verbraucherkreditrichtlinie tatsächlich greifen wird, und dann auch in nationales Recht umzusetzen ist, bleibt abzuwarten. Gemäß aktuellem Stand hätten die Mitgliedstaaten nach Inkrafttreten der neuen EU-Vorschrift zwei Jahre für die Umsetzung in nationales Recht Zeit, welches dann spätestens nach weiteren sechs Monaten in der Praxis Anwendung finden muss.

Vor Ende 2024 wird folglich nicht mit neuen Anwendungsvorschriften zu rechnen sein. Anbieter von Konsumentenfinanzierungen sind angesichts des zu erwartenden, hohen und zeitaufwendigen Anpassungsbedarfs dennoch gut beraten, unmittelbar nach Verabschiedung der Richtlinie, ihre Prozessabläufe und Vertragsinhalte auf die neue Rechtslage vorzubereiten.

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